Mittwoch, 4. August 2010

Handhabung der Verschleierung in der Schweiz

Es sollte ein grundlegender Unterschied gemacht werden, je nachdem, ob das Kleidungsstück das Gesicht verdeckt oder nicht.

Wird das Gesicht nicht verhüllt, wäre die Lösung die folgende: Hält man sich an einem Ort auf, wo man sich nach Belieben kleiden kann, zum Beispiel auf der Strasse, dann ist das Kopftuch, wie jedes Kleidungsstück, legitim wie irgendeine Kopfbedeckung oder Kleidung. Hält man sich an einem Ort auf, wo entweder eine Uniform vorgeschrieben ist, zum Beispiel in einem Unternehmen, oder wo keine Kopfbedeckung getragen wird (weder Schirmmütze noch Hut noch Mütze noch Kopftuch noch Kapuze usw.), zum Beispiel im Schulzimmer, dann hält jedermann diese Regel im Namen der Gleichheit ein. Punkt. Schluss. Ausnahmen wären nur in ärztlich bescheinigten Fällen zulässig, etwa im Fall einer Chemotherapie.

Bedeckt das Kleidungsstück das Gesicht, wird das Problem zur eigentlichen Wertefrage. Unsere westliche Gesellschaft beruht nämlich auf der Achtung der Identität der Person. Und das Gesicht ist der Ausdruck der unverwechselbaren individuellen Identität. Es ist das Gesicht, das lacht, empfängt, Gefühle zeigt, dem anderen begegnet.
(...) stellt die Verhüllung des Gesichts einen Angriff auf die Würde der Person dar. In unserer Kultur bedeutet sie Misstrauen, Verweigerung der Solidarität und des Lebens in einer Gemeinschaft. Wer eine solche Haltung einnimmt, manifestiert seine Verachtung den anderen gegenüber.

Suzette Sandoz in der NZZ am Sonntag vom 4. Juli 2010, Seite 14.

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