Montag, 18. Mai 2009

Von der Ungerechtigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips

Rechtsanwalt Meier ist dreissig Jahre alt, arbeitet viel und kommt, so nehmen wir einmal an, auf ein Bruttoeinkommen von 200 000 Fr. im Jahr. Darauf zahlt er als Verheirateter mit Wohnsitz in der Stadt Zürich nach allen Abzügen nicht ganz 40 000 Fr. Steuern. Sein Berufskollege Müller ist gleich alt und hat das Studium ebenso brillant abgeschlossen wie Meier. Er könnte es ihm in jeder Hinsicht gleichtun, hat aber andere Präferenzen. Als begeisterter Segler will er genug Zeit für sein Hobby zur Verfügung haben. Er beschliesst, nur 50% zu arbeiten, und verdient daher 100 000 Fr. Der Staat belohnt dies, indem er ihm nicht, wie Meier, fast 20% des Einkommens an Steuern abverlangt, sondern 10%. Er schenkt Herrn Müller mit andern Worten jährlich 10 000 Fr. dafür, dass er nicht so viel arbeitet, seine Talente nicht nachfragegerecht einsetzt, sein Studium nicht in dem Ausmass «amortisiert», wie es möglich wäre. Sein Einkommen nach Steuern liegt bei 90 000 Fr., das des ambitionierteren Meier bei 160 000 Fr. Müller verdient unter dem Strich mehr als die Hälfte von Meier, obwohl er nur halb so viel arbeitet. Der Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» gilt also nach Steuern nicht.

Viertens wird hartnäckig behauptet, das Leistungsfähigkeitsprinzip verlange progressive Steuern, wie sie schon Marx und Engels im Kommunistischen Manifest von 1848 gefordert hatten. Zugrunde liegt dem die Opfertheorie John Stuart Mills, der meinte, «Gleichmässigkeit der Besteuerung . . . bedeutet daher Gleichmässigkeit der Opfer». Allerdings hatte er dabei einen idealen Staat vor Augen. So ist es denn auch kein Widerspruch, wenn der gleiche Mill die Progression als
«milde Form von Raub»
bezeichnete. Weil angenommen wird, der Nutzen jedes zusätzlichen Frankens werde, wenn das Einkommen steigt, immer kleiner, werden hohe Einkommen überproportional zur Kasse gebeten. abei ist für unseren Herrn Müller zusätzliches Einkommen vermutlich nicht sehr wichtig, weil er eben nicht konsumieren oder sparen, sondern segeln möchte. Herrn Meier dürfte das zusätzliche Einkommen dagegen viel wert sein, wie sein grosser Einsatz vermuten lässt. Es ist also schwierig bis unmöglich, die Nutzen zusätzlichen Einkommens für verschiedene Menschen zu vergleichen. Auch können sich bekanntlich die Präferenzen der Individuen im Laufe des Lebens verändern.

Gerhard Schwarz von der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e. V.

1 Kommentar:

P-Man hat gesagt…

Leider stimmt das wiederum an der unteren Limite nicht...

Diejenigen, die nicht mehr als 50% Stellen finden in Tieflohnkategorien, wären in einem von Dir quasi-suggerierten "Steuersatz nach Stundenlohn" wahrscheinlich unfairerweise überbesteuert (und incentiviert lower value adding job zu nehmen, um mehr zu verdienen???).

Gruss,
P