Die Grundlage: Fakten statt Vertrauen
...dass die ungeheure Transparenz, die wir in den letzten Jahren mit Hilfe einer ständig verbesserten Technologie geschaffen haben, Vertrauen durch Fakten ersetzt. Das ist für uns Menschen kein einfacher Prozess. Es ist viel bequemer, zu vertrauen, als sich mit Fakten herumzuschlagen. (...) Im Prinzip sollten wir froh sein, dass wir mehr Fakten haben und weniger vertrauen müssen. (...) Fakten sind oft unangenehm, weil sie unseren Glauben zerstören und Lügen aufdecken können. (...) mehr auf Fakten zu konzentrieren, als kopflos in Panik zu verfallen
Zum aktuellen Stand der Schweizer Banken
Ich bin seit fünfzig Jahren im Bankgeschäft tätig und kann Ihnen deshalb versichern, dass die Banken heute besser sind als vor fünfzig Jahren. (...) [Heute haben wir] schon wieder die am besten kapitalisierten Grossbanken in Europa, aber auch die zukünftig strengsten Kapitalvorschriften. Da inzwischen alle Länder mit globalen Banken höhere Kapitalanforderungen stellen, wenn auch nicht in dem Masse wie bei uns, werden wir künftig mit schrumpfenden globalen Banken konfrontiert werden.
Zukunft der Schweizer Grossbanken
[Staatsverschuldungen und schrumpfende Banken ergibt wenig oder kein Wachstum] Das macht es noch schwieriger, die guten Vorhaben umzusetzen. Nach einer Periode der Globalisierung, die über die Jahrzehnte die Armut halbiert und Hunderten von Millionen Menschen Arbeit gegeben hat, scheint es mir, dass wir in der Weltwirtschaft einen Schritt zurückgehen. (...) Das Privatbankengeschäft verändert sich, für viele Kunden ist die Schweiz nicht mehr das einzige Land, das für sie als Bankenplatz in Frage kommt. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, hauptsächlich aber die sich stetig erhöhende Transparenz, getrieben von Technologie und politischem Druck und den Verwirrungen um das Bankgeheimnis. Die Grossbanken wachsen schon heute stärker ausserhalb der Schweiz als in der Schweiz, und ich glaube, dass dieser Trend anhalten wird. (...) Weiterhin erfordern die neuen Kapital- und Liquiditätsvorschriften eine erhebliche Reduktion des internationalen Bankgeschäfts. (...) Unsere Banken werden durch einen schmerzlichen, aber auch notwendigen Anpassungsprozess im internationalen Geschäft und im Privatbankengeschäft hindurchgehen. Das wird zu grossen Liquiditätsreduktionen in den lokalen und internationalen Wertschriften- und Finanzmärkten führen.
To big to fail gibts nicht - Verantwortung ist unteilbarIch bin überzeugt, dass der Fall UBS, bei dem erschwerend die Steuerproblematik mit den USA hinzukam, sich nicht wiederholen wird. Weiterhin wird auch gesagt, dass die Grossbanken zu gross seien, um erfolgreich geführt zu werden. Grössere Banken ausserhalb der Schweiz zeigen, dass es möglich ist. Wo wir uns verbessern können, ist auf Klarheit in der Führung und Verantwortung zu achten. Der CEO oder Geschäftsführer soll und muss die volle Verantwortung für das Geschäft haben und kann sie nicht mit dem Verwaltungsratspräsidenten teilen, denn Verantwortung ist nicht teilbar. Unternehmen können nicht von Gremien geführt werden.
Mehrwert ausländischer Gelder für die Schweiz
Der Zufluss ausländischen Geldes in unser Land ist von grösster Bedeutung für die Wirtschaft, hat er uns doch in den vergangenen Jahrzehnten einen Zinsvorteil von einem bis zwei Prozent verschafft. Das heisst, dass sich unsere Industrie, und auch wir privat, mit Hypothekarkrediten über Jahrzehnte billiger refinanzieren konnte als die ausländische Konkurrenz. Das hat erheblich zum Wohlstand beigetragen. Allein das Hypothekarkreditvolumen von zirka 650 Milliarden Franken und das Industriekreditvolumen von rund 350 Milliarden Franken machen uns jedes Jahr durch den Zinsvorteil um 10 bis 20 Milliarden reicher.
Bankgeheimnis und Abgeltungssteuer[Ich halte die] bilateralen Verhandlungsweg betreffend Abgeltungssteuern für wenig erfolgreich. Wir sollten lieber gleich mit der EU verhandeln, wenn wir uns schon als Steuereinzieher für andere Staaten bewerben. (...) Das Bankgeheimnis hat für Jahre als Verkaufsargument ausgedient, und wir werden weiter von verschiedenen Staaten unter Druck gesetzt werden, mehr Transparenz zu schaffen. Die langanhaltende Euro-Krise wird sich negativ auf das Ertragspotenzial der Banken auswirken. Die Schweizer Grossbanken werden aber viel besser kapitalisiert sein als ihre europäischen Konkurrenten. Der Euro wird vorerst als Währung überleben und sogar seinen Wert gegenüber dem Dollar halten können. Die Weltwirtschaft wird wenig oder gar nicht wachsen.
Europa- und Euro-MisereFerner glaube ich, dass im Euro-Land die Konsolidierung der Banken noch nicht abgeschlossen ist und noch verschiedene Stresssituationen auf uns warten. Der Euro geht durch seine erste grosse Krise als künstliche Währung, ausgelöst durch die Einsicht, dass die Verschuldung der Euro-Staaten doch zu hoch sein könnte. Eine weitere Erkenntnis ist, dass kein Staat gezwungen werden kann, aus der Euro-Zone auszutreten, weil sonst das ganze Gebilde auseinanderfallen würde. Nur die einzelnen Staaten selbst können über einen Austritt entscheiden. Das stellt die Politik vor eine fast unlösbare Aufgabe, denn alle müssten sich unbeschränkt haftbar für den Euro erklären. Deshalb wird der Prozess der Erkenntnis noch eine Weile dauern.
Für eine starke WährungWir in der Schweiz haben uns entschlossen, den Schweizer Franken durch einen fixen Wechselkurs an die künstliche Euro-Währung zu binden. Die Erklärung dafür war der Erhalt der Arbeitsplätze in der Exportindustrie und im Tourismus. Wenn das auf Dauer funktionieren würde, müssten eigentlich alle Länder mit einer schwachen Währung Exportmeister sein, die USA beispielsweise. Auch dort, im Weissen Haus, hat man versucht, mich von der Theorie zu überzeugen, dass ein schwacher US-Dollar die Arbeitslosenzahlen senkt und die Wirtschaft ankurbelt. Leider bleiben die Beweise aus, und man kann sogar argumentieren, dass der umgekehrte Fall richtig ist. Eine starke Währung ist besser für die Industrie, siehe Japan oder Deutschland. Starke Währungen haben Vorteile, sie senken die Preise, fördern Innovation und Automation und verbessern den Lebensstandard, speziell in einem reichen Land wie der Schweiz. Eine zehnprozentige Abwertung des Frankens reduziert unser Vermögen um 300 Milliarden. Wir müssen also sehr überzeugt sein von dem, was wir erreichen wollen, und davon, dass es den gewünschten Effekt haben wird, denn sonst wird es zur grössten politischen Subvention aller Zeiten.
Die wichtigsten Auszüge aus der Rede von Oswald Grübel anlässlich der 24. Albisgüetli-Tagung vom 20.01.2012, abgedruckt in der WeWo4.12, Seite 32ff.
Freitag, 27. Januar 2012
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