Freitag, 14. Dezember 2007

Sozialstaat Schweiz

Eine OECD-Studie kommt zum Schluss:
Die finanzielle Absicherung für Kurzzeit- und Langzeitarbeitslose liegen in der Schweiz über dem OECD-Schnitt. (heute)
Soviel zum Sozialstaat Schweiz und der "Notwendigkeit" diesen noch sozialer zu gestalten.

5000 neue SVPler?

Nach dem Debakel bei den Bundesratswahlen kann die SVP Schweiz über 5000 Neumitglieder verzeichnen. Der Trend bestätigt sich auch in St.Gallen. (stadt24)
Andere Quellen sprechen von 2500 neuen Mitgliedern, allerdings an einem Tag! Soviel wie die SVP normalerweise in einem Jahr macht. Dies unterstreicht den Unmut in der Bevölkerung, welchen das Parlament provoziert hat.

TV-Quoten-Rekord auf SFDRS

Die rund 100minütige Sendung aus dem Nationalrats-Saal am Morgen hatte gemäss Telecontrol einen Marktanteil von durchschnittlich 88 Prozent. Das ist ein historischer Rekord in der Geschichte des Fernsehens in der Schweiz. Noch nie, seit Marktanteile gemessen werden, hatte eine Fernsehsendung einen so hohen Marktanteil wie die Bundesratswahl von gestern. In absoluten Zahlen waren es 528 000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Kurz nach 8 Uhr, als Eveline Widmer-Schlumpf Annahme der Wahl erklärte, waren es fast 800 000.
Ueli Haldimann im Chefredaktor-Blog.
Ich kann da nur gratulieren. Das Schweizer Fernsehen ist ihrer Pflicht hervorragend nachgekommen: Die Bundesratswahlen sind sehr spannend, v.a. wenn es solche Verzögerungen gibt. Um meiner Abneigung gegenüber Fussball auch hier noch ein Ohr zu verleihen: Fussball bringt sowas niemals hin.

SVP nicht mehr in der Arena?


Künftig sind wir nicht mehr eine von vier Regierungsparteien, sondern es gibt in diesem Land Regierung auf der einen und Opposition auf der anderen Seite.
Gregor Rutz, Generalsekretär SVP

Die SVP verlangt, dass den Regierungsparteien in Zukunft eine ebenso grosse Anzahl SVP-Vertreter gegenüberstehen. „Künftig werden wir nur noch an Sendungen teilnehmen, in welchen sich Opposition und Regierung 1:1 gegenüberstehen“, schreibt Rutz.

Eine echte Diskussion über die brennenden Fragen, die das Land beschäftigen, kann nur stattfinden, wenn alle politischen Lager teilnehmen.
Das schliesst der Vorschlag von Rutz ja gar nicht aus.
Schon in der Vergangenheit ist es vereinzelt vorgekommen, dass auf der einen Seite nur SVP-Vertreter standen und auf der andern die andern Parteien. Zum Beispiel bei den Abstimmungsarenas zu Schengen/Dublin oder zur Personenfreizügigkeit.
Wo ist also das Problem?
Wir können nicht grundsätzlich einer Partei die Hälfte der Diskussionsplätze und der Redezeit zur Verfügung stellen, während alle andern Parteien sich die andere Hälfte teilen müssen.
Das Denken in Parteien ist vorbei. Eine grosse Partei ist nicht mehr akzeptabel in der Regierung vertreten. Es ist die Zeit, in der im Schema Regierung-Opposition gedacht wird. Mit ihrer Haltung missachten sie die mitte-links-Entscheidung, die SVP in Zukunft nicht mehr als Regierungspartei zu akzeptieren.

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Köppel über Blochers Abwahl

Klingt zwar wie ein Nekrolog, doch trifft den Nagel - für einmal - ziemlich unbestritten auf den Kopf.
Blocher steht für unternehmerisches Denken und klassische erfolgreiche Standortfaktoren der Schweiz: Politische Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Eigenverantwortung, Kostenwahrheit und Freiheit.
Ironischerweise erzeugte Blocher nicht durch Fehler oder Schwächen, sondern durch seine Stärken und Qualitäten jene Gegenkräfte, denen er als Bundesrat schliesslich unterlag.
Gegen Blocher spielten zudem Eitelkeiten, Verletzungen seiner Feinde, die egozentrischer handelten, als sie zugeben würden.
Mal sehen, ob die Blocher-Gegner mit den Kräften fertig werden, die sie jetzt entfesselt haben.
Roger Köppel in der WW.50/07.

Zukunft der Bürgerlichen

Die SVP wird auch weiter im FCZ und im GC spielen.
Christoph Darbellay, der nicht an die Oppositionsrolle der SVP glaubt.
Und genau das ist ihr Fehler. Was hat Peter Spuhler mit der bäuerlichen Basis der SVP gemeinsam? Und genau dasselbe Problem hat die FDP:
Was hat Christina Markwalder mit Filippo Leutenegger gemeinsam, ausser der Parteizugehörigkeit?
Roger Köppel
Richtig, nichts! Die Grenzen im bürgerlichen Lager, v.a. zwischen der FDP und der SVP, sind falsch gezogen. Der linke Flügel der FDP schreckte einige Freisinnige ab und sie positionierten sich bei der rechteren SVP.

Diese hat aber das Isolations- und Bauernproblem. Eine konstruktive Politik hätte dies nicht. Entsprechend müssten diese Kräfte zur FDP wechseln und damit ein Zeichen gegen den linken Flügel der FDP setzen. Diese können dann beruhigt zur linken CVP und sind dort am richtigen Ort.

Es gibt nun zwei Probleme:
  • Die SVP ist heute ein dermassen starkes Label, dass es von einem wirtschaftlich denkenden Menschen nicht einfach so liegen und den Bauern überlassen werden darf.
  • Die FDP ist heute immer noch unattraktiv für die konstruktiven Kräfte der SVP. Durch ihre innere Spaltung wird sie dies auch nicht korrigieren können.

linke CVP

Die CVP erfreute sich heute, nach jahrelangem Misserfolg endlich wieder einmal daran, im Scheinwerferlicht zu stehen. Sie war das Zünglein an der Waage und damit so mächtig, wie schon lange nicht mehr. Das gefällt ihr. Man sieht es auch am Grinsen von Christophe Darbellay. Doch es ist ihr nicht klar, was sie mit ihrer Entscheidung bewirkt hat.

Sie wählt den Inbegriff eines bürgerlichen Politikers ab, hört auf den Vorschlag eines Kommunisten (Josef Zisyadis, Theologe, geboren in Istanbul) und behauptet nicht links, sondern bürgerlich zu sein. FALSCH, und ich sage das schon seit fünf Jahren: Die CVP ist links und nicht zu gebrauchen für bürgerliche Anliegen.

Weiter war es ein Fe
hler, Verena Diener in den Ständerat zu wählen. Sie ist eine der Sprengkandidaten, welche Blocher stürzten. Dabei liess sie sich von den "Liberalen" in Zürich wählen. Köppel hat recht: Grün ist im Innern rot.

Ein schwarzer Tag

Von den Linken bis Linksextremen habe ich nichts anderes erwartet. Doch dass die CVP und die linken FDPler, welche sich zur konstruktiven Mitte zählen, den politischen Diskurs verweigern, macht sie untragbar. Der politische Umgang in der Schweiz wird kritisiert. Die Lösung für die Linken: Kein Diskurs mehr, Ausschluss anderer Meinungen, Dialogverweigerung. Die Wahl von Widmer-Schlumpf basiert nicht auf Überzeugung von Ihrer Person, sondern auf der Antipathie gegenüber Blocher. Trotz, Rachegelüste und Quotenpolitik als Grundlage einer Regierungszusammenstellung sind kein gutes Omen.

Das Parlament ist volksfeindlich und nicht repräsentativ. Das Volk hat (sic!) Blocher klar gewählt! Politische Intrigen (vgl. Eva, bzw. drei (vier) Frauen im Bundesrat) der Linken fruchten im Parlament besonders. Der Unfähigkeit im politischen Dialog mit ihren Ansichten und Argumenten bestehen zu können, entziehen sich die Schwachen und Unterlegenen (Frauen und Linke) durch die Abwahl Blochers.

Ausser, dass Blocher seine politischen Anliegen verhältnismässig erfolgreich durchgesetzt hat - was eigentlich von jedem Parlamentarier und Regierungsmitglied zu erwarten wäre - hat die Linke nicht wirklich Gründe zur Beschwerde. Diese Wortlosigkeit manifestiert sich darin, dass ein eigener Begriff dafür erfunden wird: Blocherisierung.

Mit der Annahme der Wahl von Widmer-Schlumpf wäre der Bruch der SVP Graubünden mit der SVP Schweiz beschlossene Sache. Nachdem bereits vor zwei Wochen Hansjörg Hassler( (NR/SVP/GR) öffentlich gegen die Linie der SVP Schweiz gewettert hat, kann sie sich nun den Bernern anschliessen. Dieser Bruch schadet der SVP Schweiz, kann aber der FDP, schweizweit zum Aufschwung verhelfen. Jetzt muss die Initiative ergriffen werden.

Trotz der Schönrederei von Ueli Maurer, zweifle ich an den Chancen in der Opposition. Die sich schon länger abzeichnende politische Polarisierung mündet nun in einer Zersplittung der Regierung mit dem Volk. Die Folge wird gegenseitige Blockade sein, Stillstand. Ein schwarzer Tag für die Schweiz.

Weitere Tiefpunkte vom heutigen Tag:
  • Die Budgetkürzungen der SVP werden abgelehnt: Der Staat behält seine Grösse (und seinen Preis)
  • Timoschenko wurde nicht wieder gewählt: Der dem Westen zugeneigte Flügel erleidet eine Niederlage, die wichtigen Beziehungen zu den Oststaaten werden geschwächt.
  • Meine Freundin ist heute krank geworden.
  • Ich habe meinen Schirm im Zug liegen gelassen.
  • Wenigstens wurde in New Jersey die Todesstrafe abgeschafft.

Montag, 10. Dezember 2007

Die Euro 08 ohne England

Das Fehlen von England macht die Euro kleiner. Engländer sind die Meister der Fanreisen. Weltweit haben sie Sportveranstaltungen in britische Um-die-Wette-Saufgelage verwandelt. Bei der EM 2004 stellten sie ein Drittel aller angereisten Zuschauer – so viele wie Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich zusammen.
Werner Richter übersetzt Simon Kuper in der WW49.07, Seite 50f.

fader Fussball

Mal eine Stilanalyse des europäischen Fussballs: "fad, aber wirksam":
Die EM wird die Demokratisierung des europäischen Fussballs zeigen. Es gibt keine schwachen Mannschaften (bis auf Österreich). Alle besseren Teams haben den westlichen Stil übernommen: defensiv, kollektivorientiert, topfit, hartes Tackling, schnelle Pässe. Hässlich, aber wirksam. Seine Ursprünge hat er in den sechs Ländern, die vor fünfzig Jahren die EWG gründeten: Italien, Frankreich, Deutschland und Benelux.
Werner Richter übersetzt Simon Kuper in der WW49.07, Seite 50f.

Politische Situation in Südamerika

(...) der moderne Caudillo lässt sich zunächst mehr oder weniger demokratisch wählen. Und sobald er an der Macht ist, geht er daran, aufzulösen, was ihm im Weg steht: Parlament, oberster Gerichtshof, Wahlkommission, unabhängige Medien, katholische Hierarchie. In Lateinamerika nennt man das autogolpe – Staatsstreich von innen.
Das Phänomen verdient mehr Beachtung, als ihm bislang zuteil wurde. Vor zehn Jahren war jedes südamerikanische Land, vielleicht mit der einzigen Ausnahme meiner Heimat Peru, eine liberale Demokratie. Heute ist die autoritäre Linke (bis auf Kolumbien) überall an der Macht. (...)
Aber die Armen haben das Interesse verloren. Sie wählen die starken Männer, nicht in der Hoffnung, dass etwas besser wird, sondern aus Protest gegen das alte System. Es ist erschreckend, wie schnell und begeistert sich eine Nation gegen die parlamentarische Demokratie wenden kann.

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Daniel Hannan in der WW49.07, Seite 9, ist Mitglied des Europaparlaments für die britischen Konservativen. Er wurde in Peru geboren.