Die Schweizer Behörden lassen Asylbewerber, die Falschaussagen machen, gewähren. Wir haben das oft erlebt: Einem Afrikaner, der unter einem Fantasienamen ins Land kommt, seine Papiere verschwinden lässt, später eine Schweizerin heiratet und plötzlich seine wahre Identität offenbart – einem solchen Trickser, der die Behörden an der Nase herumführt, geschieht nichts.
Woran liegt das?
Ich beobachte eine grosse Resignation, gepaart mit Gleichgültigkeit. Die Zustände im Asylwesen sind aus dem Ruder gelaufen. Der Missbrauch ist so immens, dass viele Beamte lieber den Kopf in den Sand stecken.
Wo liegt das eigentliche Problem?
Die Schweiz ist offen wie ein Scheunentor. Simonetta Sommaruga empfahl kürzlich eine Verkürzung der Verfahren als Königsweg. Aber das kann nicht die Lösung sein. Das Problem beginnt vorher, bei der Einreise. Es muss das Ziel sein, weniger Leute in die Schweiz zu lassen.
Wie viele der Asylbewerber sind in ihrer Heimat politisch verfolgt?
Das BfM erlässt positive Asylentscheide im einstelligen Prozentbereich. Aber nicht einmal das ist realistisch. Die Bundesbehörden halten gewisse Quoten ein, um sich nicht der Kritik auszusetzen. Man sägt nicht am Ast, auf dem man sitzt.
Wie hoch ist der Anteil der politisch Verfolgten wirklich?
Vor meiner Tätigkeit im Wegweisungsvollzug arbeitete ich mehrere Jahre in der Asylbefragung. Das sind mehrstündige, teils tagelange Interviews, die den Bundesbehörden als Grundlage für ihren Entscheid dienen. Ich kann mich in all diesen Jahren an keinen einzigen Fall erinnern, bei dem ich zum Schluss kam: Jawohl, diese Geschichte ist glaubhaft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es politische Verfolgte so gut wie nie bis in die Schweiz schaffen. Oder dass sie aus Ihrem Land gar nicht weggehen wollen.
Der Tenor der Flüchtlingslobby ist: Gebt den Flüchtlingen eine Zukunft in unserem Land.
Diese Position ist naiv. Es sind fast ausschliesslich junge Männer, die weggehen. Positiv gesagt, sind es Glücksritter auf der Suche nach einem besseren Leben. In der Realität sind es aber vorwiegend Delinquenten, von Kleinkriminellen bis zu Schwerverbrechern.
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Die Linke entschuldigt die verbreitete Kriminalität unter Asylbewerbern mit den schwierigen Verhältnissen. Es bleibe ihnen fast keine andere Wahl.
Das ist Sozialkitsch. In den 1980er Jahren gab es immer wieder Geschichten von osteuropäischen Kriminaltouristen, die im Maisfeld oder im Wald übernachteten und von dort aus auf Diebestour gingen. Das ist nicht mehr nötig. Der typische ausländische Kriminelle ist heute Asylbewerber. Das bietet viele Vorteile: Man ist einquartiert in einem Zentrum oder in einer Sozialwohnung der Gemeinde, kassiert Fürsogeleistungen und ist versichert gegen Krankheit und Unfall. Parallel dazu kann man seine Delinquenz ausleben.
Was passiert, wenn kriminelle Asylbewerber ertappt werden?
Zuerst werden sie natürlich strafrechtlich belangt. Aber viele haben bereits eine kriminelle Vergangenheit in ihrem Heimatland, kennen die dortigen Gefängnisse – der Schweizer Strafvollzug schreckt sie wenig ab. Danach kommen ausländerrechtliche Massnahmen ins Spiel. Allerdings sind auch diese beschränkt. Eine ausländerrechtliche Haft dauert maximal 18 Monate. Viele sitzen das locker ab. Wer schon einmal in Lagos im Knast sass, für den sind Schweizer Gefängnisse Wellness.
Sie waren zehn Jahre in diesem Geschäft tätig und kennen das Asylwesen bis ins Detail. Was müsste die Schweiz denn tun?
Das Kernproblem sind die offenen Grenzen. Fahren Sie einmal von Mailand nach Chiasso: In jedem Zug sitzen Dutzende zukünftiger Asylbewerber.
Die Schweiz ist an die Abkommen von Schengen und Dublin gebunden.
Das ist ein Flop. Die Italiener müssten jeden Asylbewerber daktyloskopisch, also mit Fingerprints, erfassen. Die Schweiz startet dann eine Anfrage, ob ein Asylbewerber in Italien erfasst ist. Falls dem so ist, ist Italien als Erstland für ihn zuständig. So weit die Theorie. Die Realität ist eine andere. Die Italiener erfassen nur einen Teil der Asylbewerber. Den andern sagen sie: «Setz dich in den Zug und fahre nach Chiasso.» Schlitzohrig schiebt man den Schwarzen Peter weiter an die Schweiz.
Was wäre die Lösung?
Die Schweiz müsste wieder souverän werden, die Grenzen bewachen und allenfalls auch Schengen/Dublin künden. Die Verfahren zu beschleunigen, wie das Bundesrätin Sommaruga will, bringt nichts. Das ist reine Kosmetik. Es müssten viel weniger Leute ins Verfahren aufgenommen werden. Und die Wegweisung müsste endlich konsequent gehandhabt werden. Mit gewissen Staaten ist das unproblematisch, da läuft der Vollzug hervorragend. Andere verweigern sich total. Interessanterweise sind darunter viele Länder, die Entwicklungshilfe von der Schweiz bekommen.
Macht die Schweiz zu wenig Druck?
Eindeutig. Man müsste mit diesen Ländern Tacheles reden. Sie sind gemäss internationalem Recht verpflichtet, die abgewiesenen Landsleute zurückzunehmen.
Adrian Strässle im Interview von Philipp Gut in der WeWo43.11, Seite 32.