Die meisten Vorwürfe sind falsch. Nicht die Banken haben die Welt in eine Finanzkrise geritten. Am Ursprung der US-Finanzkrise stand der Wunsch der amerikanischen Regierung, alle Amerikaner, ungeachtet ihres Vermögens und Einkommens, in die Lage zu versetzen, ein Haus zu kaufen. Die Immobilienhausse war politisch gewollt und wurde mit billigem Geld befeuert. Hinter den grössten US-Hypothekarbanken stand der Staat. Anerkannte Ratingagenturen beurteilten die aus den Hauskrediten abgeleiteten Finanzanlagen als sicher, da am Ende das mächtige Washington für die Immobilienkredite bürgte.
Nicht die Marktwirtschaft ist krank. Die Politik hat durch falsche Eingriffe die Grundlagen der Marktwirtschaft zerstört. Marktwirtschaft heisst: Unternehmen investieren in Produkte oder Dienstleistungen. Wenn sie es gut machen, werden sie reich und erfolgreich. Wenn sie es schlecht machen, müssen sie untergehen, sterben. Vom Markt verschwinden.
Was geschah während der Finanzkrise? Banken, die sich aufgrund staatlicher Kreditgarantien im Immobilienmarkt verspekuliert hatten, wurden gerettet. Risiko ohne Haftung. Am Ende zahlt der Staat, zahlen die Bürger, ohne dass man sie gefragt hätte. Das ist nicht Marktwirtschaft, sondern Planwirtschaft, also das Gegenteil von Marktwirtschaft. Die Prinzipien der Marktwirtschaft – Unternehmer haften mit ihrer Existenz für ihre Risiken – sind heute so richtig wie vor hundert Jahren. Es gibt keine «Krise des Kapitalismus». Es gibt eine fatale Rückkehr der Planwirtschaft, deren Folgen von Politikern und Journalisten irrig der Marktwirtschaft zugeschrieben werden.
Zur Marktwirtschaft gehört auch: Wer zahlt, befiehlt. Der Eigentümer haftet. Das ist in überschaubaren Familienunternehmen nach wie vor der Fall. In börsenkotierten Konzernen wird es schwieriger. Hier haben die Manager und Verwaltungsräte in der Regel mehr Macht als die Aktionäre. Die Finanzkrise offenbarte auch hier, dass die Grundprinzipien der Marktwirtschaft durch den Staat nicht ausreichend geschützt werden. (…) Der Staat ist der oberste Hüter des Privateigentums, aber er lässt es zu, dass die Eigentümer durch ihre Angestellten wegen eines falschen Aktienrechts enteignet werden.
Die Politiker freuen sich am Banken-Bashing, weil dann nicht über ihre Fehler geschrieben wird.
Es stimmt nicht, dass die Staatsverschuldung durch die Bankenrettung zustande kam. Schon vorher waren die Schuldenberge gigantisch. Das im Quervergleich hochsolide Deutschland hatte bereits vor der Finanzkrise Gesamtschulden von 1,65 Billionen, heute 2 Billionen Euro, nicht eingerechnet die ausstehenden Rentenverpflichtungen, die ein Vielfaches des Defizits ausmachen. Es stimmt zwar, dass die Banken fahrlässige Risiken eingegangen sind durch den Kauf von Euro-Staatsanleihen. (…) Sie kauften sie deshalb, weil Staatsanleihen in der EU staatlich gefördert wurden. Staatsanleihen galten als sicher. Banken mussten kein höheres Eigenkapital unterlegen. Die Rückzahlung wurde durch politische Willenserklärungen untermauert. (…) Der Gedanke an mögliche Schuldenkrisen oder an eine Euro-Schwäche wurde bis vor kurzem als Vorstufe zur Gotteslästerung taxiert.
Man muss nicht Mitleid haben mit Banken, die ernsthaft daran geglaubt haben, dass die Griechen jemals ihre Schulden zurückzahlen. Aber man muss darauf hinweisen, dass auch die jüngste Finanzkrise nicht von den Banken ausging, obwohl sie den Versprechen der EU auf den Leim krochen. Das Schlamassel wurde von der Politik angerichtet, die wie bei der US-Immobilienblase durch falsche Garantien und ungedeckte Versprechen Investitionen auslöste, über die sich die Politik heute so heuchlerisch beklagt.
Banken sind notwendige Säulen unserer Wirtschaft und unseres Wohlstands. Die Protestler sollten ihre Biwaks vor dem Bundeshaus aufschlagen, um für mehr, nicht weniger Marktwirtschaft zu demonstrieren.
Roger Köppel in der WeWo42.11, Seite 18f.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Die Politik hat's verbockt - nicht die Banken
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