Der ganz grosse Brocken der Ausgaben liegt bei der sozialen Wohlfahrt mit über 20 Milliarden Franken. Damit liessen sich problemlos viereinhalb Schweizer Armeen parallel finanzieren. Jeder dritte Franken fliesst in den Sozialstaat. Dazu gehört die breitabgestützte Altersversicherung (AHV) mit 10,1 Milliarden. Eine ewige Baustelle bildet dagegen die Invalidenversicherung mit 4,6 Milliarden, die der Bund zurzeit einschiesst. Die IV lässt sich mit den dafür vorgesehenen 1,4 Lohnprozenten (je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlt) schon lange nicht mehr finanzieren. Neben dem ordentlichen Beitrag von 37,7 Prozent der IV-Ausgaben übernimmt der Bund die gesamten Zinskosten der IV und zieht die zusätzlich beschlossenen 0,4 Mehrwertsteuerprozente ein (zusammen rund eine Milliarde).
Von 1993 bis 2002 stand dem zuständigen Departement des Innern Ruth Dreifuss (SP) vor. In dieser Zeit summierten sich die Defizite der IV auf über 5 Milliarden. Die jetzt anstehende 6. IV-Revision ist ein weiterer Kosmetikversuch, um die unter Dreifuss aus dem Ruder gelaufene Sozialversicherung wieder einigermassen ins Gleis zu bringen. 2011 weist die Statistik des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) 450 000 IV-Leistungsbezüger aus. Die jährlichen Ausgaben belaufen sich auf 9,4 Milliarden Franken (1990: 4,1 Milliarden).
Ebenfalls unter den Titel «soziale Wohlfahrt» fallen die Ausgaben für «Migration», namentlich das Asylwesen: mit 937 Millionen gegenüber 885 Millionen im Jahr 2010. Das ist ein Zuwachs von 52 Millionen oder 5,9 Prozent. Tendenz weiter steigend. Der Zustrom von Pseudoflüchtlingen aus Nordafrika hält unvermindert an. Dazu kommen die steigenden Kosten im Bereich Sozialhilfe (plus 40 Millionen allein im letzten Jahr). Nur ein kleiner Anteil der anerkannten Asylanten geht einer geregelten Arbeit nach. Zum Vergleich: 1990 beliefen sich die Kosten für das Asylwesen auf 324 Millionen. Faktor drei innerhalb von zwanzig Jahren.
In den Erläuterungen zur Staatsrechnung im Bereich Asyl beruhigt der Bundesrat: «Kostenmindernd wirkte sich [. . .] der sogenannte Dublin-Effekt aus: Auf das Gesuch einer Person, welche bereits in einem Dublin-Staat um Asyl ersucht hat, wird in der Schweiz nicht eingetreten, und es ist keine Anhörung notwendig. Dies ermöglichte Einsparungen beim Verfahrensaufwand sowie bei den Vollzugskosten von je ca. 1 Million.» Was der Kommentar verschweigt: Man hatte sich und der Bevölkerung weit höhere Einsparungen versprochen. Die Einsparungen decken nicht einmal den zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Hinzu kommt, dass vor allem Italien das Dublin-Abkommen systematisch unterläuft, indem Asylanten ohne Registrierung nach Norden durchreisen können oder weil es die Rückübernahme durch bürokratische Verschleppungstaktik verhindert.
Der nächste grössere Posten ist der Verkehr, wobei sich die Strasse und der öffentliche Verkehr die 8,06 Milliarden ungleich teilen: 5,34 Milliarden fliessen (vor allem) in die Bahnen und lediglich 2,58 Milliarden in den Privatverkehr – obschon die Strasse überfinanziert ist: Die Mineralölsteuern spülen 5,02 Milliarden in die Kasse, die Automobilsteuer 408 Millionen, die Nationalstrassenabgabe 360 Millionen und die Schwerverkehrsabgabe 1,55 Milliarden. Das sind total rund 7,3 Milliarden Verkehrsabgaben, die mehrheitlich in die Bundeskasse oder in die Bahninfrastrukturen fliessen (Neat, Finöv). Umso wackliger ist die Begründung für die Erhöhung der Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken, wie sie in der laufenden Session beantragt wurde: Ohne diese zusätzlichen Erträge, wurde wiederholt eingewendet, könnten verschiedene Nationalstrassenprojekte nicht realisiert werden. Mit diesen zusätzlichen Abgaben sinkt jedoch nur der Druck, die milliardenschwere Zweckentfremdung der Strassenabgaben zu korrigieren.
Peter Keller in der WeWo23.12, Seite 26ff.
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