Donnerstag, 31. März 2011

Gottes Souverenität verunmöglicht Religionen die Demokratiefähigkeit

Die früheren politischen Erfolge des Islam haben dazu geführt, dass sich Religion und Staat vermischt haben. Der Prophet galt nicht nur als geistiger Anführer, sondern war gleichzeitig Feldherr und Gesetzgeber. Das ist in der Seele des Islam verankert und erschwert heutige Säkularisierungsbemühungen...
... und gleichzeitig auch Demokratisierungsbemühungen? Wie sieht es mit der Demokratiefähigkeit des Islam aus? Geraten Demokratie und Religion nicht immer dann in einen Konflikt, sobald Gott als Souverän gilt und nicht die Bevölkerung?
Ich spreche grundsätzlich jeder Religion die Demokratiefähigkeit ab. Wann immer die Religion das Sagen in der Gesellschaft hat, gibt es keine Demokratie. Der Vatikan hat sich nicht demokratisiert, sondern er wurde von der Politik entmachtet. Soweit ist der Islam noch nicht. In den meisten islamisch geprägten Gesellschaften gibt es diese Skepsis gegenüber der Religion nicht. Es ist richtig, dass alle Religionen im Grunde archaischer, patriarchischer Natur sind, aber es geht letztlich um die Frage, was die Menschen daraus machen. Zumindest in Europa erkämpften die Menschen die Trennung von Religion und Staat. Diese Trennlinie gibt es in vielen islamischen Ländern nicht. Viele Menschen sagen, die Religion sei ein Teil der Lösung in diesen Gesellschaften. Ich sage, die Religion ist ein Teil des Problems. (...) Die sogenannten liberaleren Strömungen haben entweder mit der Religion nichts zu tun oder sie versuchen einen Spagat, der nicht funktionieren kann. Sie betonen die demokratietaugliche Seite des Islam und verschweigen die grausame Seite, weil sie sowohl von zivilgesellschaftlicher Seite als auch vom Westen anerkannt werden wollen. Letzten Endes bedeutet liberal aber eine totale Trennung von Religion und Staat. Es bedeutet, dass die Gesetzgebung nicht von Gott, sondern von den Menschen kommt und zwar durch Verhandlung, nicht durch göttliche Botschaften. Würden diese Prinzipien von liberaler Seite anerkannt, wäre der politische Islam im Kern bereits diskreditiert.

Schaut man sich demokratische Prozesse an, bedarf es eigentlich immer einer Mittelschicht, einer Zivilgesellschaft. Wo sehen sie diese Institutionen in der islamischen Welt?
Es gibt zumindest neue Ansätze einer Mittelschicht, in Ägypten, in Tunesien, in Syrien, sogar in Pakistan gibt es diese Ansätze einer zivilen Gesellschaft.

Hamed Abdel-Samad im Interview von Timo Stein, Cicero.

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