Samstag, 6. November 2010

Geschichte des Rentenalter 65 für Frauen

2004 vom Volk verworfen
2010 vom Parlament gekippt

Wie kam es (nicht) dazu? Ein kleiner Rückblick:

Im Anfangsstadion der AHV galt Rentenalter 60 für Frauen mit Ehemann über 65, Rentenalter 65 für Single-Frauen
Anstatt die Benachteiligung der ledigen Frauen und Arbeiterinnen in der Realität zu verbessern, beseitigte man die Ungleichheit einfach zulasten der Sozialwerke bei den verheirateten Frauen.
1957 Rentenalter für alle Frauen 63 Jahre

Begründung: «Ihre Körperkräfte lassen im Allgemeinen früher nach.» Dies besonders bei körperlich arbeitenden Frauen, «aber auch ganz allgemein in der statistisch nachgewiesenen starken Krankheitsanfälligkeit älterer Frauen».
Frauen arbeiteten vor 50 Jahren zwar auch, jedoch überwiegend nur untergeordnete, schlecht bezahlte Funktionen ausübten (Schneiderin oder Verkäuferin)... Viele ledige Frauen pflegten zuerst noch jahrelang die Eltern, bis sie eine schmale Erwerbstätigkeit aufnahmen. Frauenarbeit war eine gesellschaftliche Minderheitserscheinung. Auch geschiedene Frauen machten zur Gründungszeit der AHV nur 2,5% der Frauen aus.
1964 senkten die gleichen Argumente das Rentenalter der Frauen auf 62 Jahre.
Die wirtschaftliche Tätigkeit der Frauen hat sich seither dramatisch erhöht, stärker mit Teilzeitarbeit, aber ledige Frauen arbeiten viel öfter voll. Auch verheiratete Frauen arbeiten mehrheitlich und bestreiten ihre AHV selbst. Alle Frauen sind im Schnitt gleich gut ausgebildet wie die Männer, und künftig dürften sie es sogar häufiger sein. Die Frauen erwerben deutlich mehr Maturadiplome als Jungmänner heute. Ledige oder geschiedene Frauen haben einen höheren gesellschaftlichen Status als früher. Und: Frauen arbeiten noch weniger in harter körperlicher Arbeit als Männer. Die «Körperkräfte» lassen wohl kaum schneller nach, und die Lebenserwartung ist nochmals stärker als jene der Männer gestiegen.
Die Verhinderer:
Die linken Kreise hingegen können nach erfreulichen gesellschaftlichen Änderungen nicht auch entsprechende Konsequenzen in den Sozialversicherungen ziehen. Sie beten das Mantra von Not und Elend weiterhin herunter und können daher nur das kompensierende «Immer mehr» fordern. Kommt denn nie Freude auf, dass die staatlichen Kompensationen unnötiger wurden?

Auch dieses realitätsblinde Fortschreiben der Leistungen hat in der AHV Tradition in fast allen Lagern. So stiegen die Rentensätze allein 1972 bis 1977 auf das Zweieinhalbfache. Doch in den gleichen Jahren sackte das Wirtschaftswachstum ins Minus, und die Geburtenrate bekam ab 1971 den «Pillenknick».

Beat Kappeler in der NZZaS vom 10.10.2010, Seite 37.

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