Dienstag, 22. Januar 2008

Zürcher Sozialhilfepraxis

In der Schweiz kann niemand zum Arbeiten gezwungen werden.
Ursula Stocker, zitiert durch Zopfi in der Weltwoche 3.08, Seite 29

Ich akzeptiere es nicht, wenn das Grundrecht auf minimale Existenzsicherung zum Verhandlungspoker um Wohlverhalten wird. Ich akzeptiere es nicht, wenn einige Leute bei uns fordern: Einstellung der Hilfe, bis er oder sie wieder "brav" ist.
Ursula Stocker, zitiert durch Zopfi in der Weltwoche 3.08, Seite 29

Das Ganze hat auch etwas Sektiererisches. Es gibt Tabus, dazu gehörten bis vor kurzem auch die Themen «Missbrauch» und «Sanktionen ». (Wyler)



Ich war gestern sechs Stunden lang mit etwa drei Dutzend Sozialarbeiterinnen aus dem Kanton Zürich zusammen. Das sind alles liebe, nette Damen. Die entwickeln einen Mutterinstinkt und verteilen tatsächlich Geld. (...) Das sind gepflegte Frauen, die sorgen für die Leute und die kontrollieren nichts.
Klaus J. Stöhlker im SonnTalk vom 20.1.08 auf Tele Züri.

In der Sozialhilfe der Stadt Zürich gibt es – an sich – ein differenziertes Kontrollsystem mit verschiedenen internen und externen Kontrollinstanzen. Das Problem liegt darin, dass das System nicht konsequent und korrekt umgesetzt wird. Die Kontrolle der Sozialbehörde etwa hat eine Alibifunktion. (Zopfi)



Es ging nie in erster Linie um Missbrauch, sondern um Missstände im System, es geht weniger um jene, die das System ausnutzten, sondern um jene, die es zu verantworten haben. (Wyler)



Ich arbeite seit sechs Jahren im Kompetenzzentrum der Sozialen Dienste, das jährlich fünf Prozent aller Fälle mit Auszahlungen nach Zufallsprinzip überprüft; zwei Drittel davon kontrollierten meine Kollegin Esther Wyler und ich. Gemäss meinen Erfahrungen sind rund 80 Prozent der Fälle, die über meinen Tisch gingen, nach den Kriterien der Fallkontrolle mangelhaft und gegen 30 Prozent schlecht geführt. Das heisst: Es gehen Zahlungen raus, die nicht belegt sind, überhöhte oder ungenügend begründete situationsbedingte Leistungen, es werden zu hohe Mieten bezahlt, es sind Autos oder Liegenschaften vorhanden, deren Wert und Besitzverhältnisse nicht belegt sind, es wohnen mehr Leute in einer Wohnung als deklariert, es werden Krankheiten oder Gebrechen angenommen, die durch keine oder nur durch zweifelhafte Zeugnisse von einschlägig bekannten Ärzten belegt sind. Und so weiter. (Zopfi)


Die Weltwoche hat die wesentlichen Punkte herausgearbeitet, die Reaktionen der Betroffenen – namentlich von Monika Stocker und Walter Schmid, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) – haben die Unfähigkeit der Branche gezeigt, mit Kritik umzugehen. Jede Kritik wird umgehend als Angriff auf die Sozialhilfe an sich umgedeutet und abgeblockt; doch darum ging es nie, sondern um die Tatsache, dass in der Sozialbranche Kontrollen und Sanktionen lange kein wirkliches Thema waren. Es fällt schwer, zu akzeptieren, dass sozial schwache Menschen nicht per se unschuldig und anständig sind. (Wyler)

Man müsste endlich sauber trennen: Wer Klienten betreut, soll nicht über Zahlungen entscheiden können. Es ist richtig und wichtig, dass sich Sozialarbeitende um menschliche Schicksale kümmern, schliesslich sind Menschen keine Normwesen. Aber es kommt nicht gut, wenn dieselben Betreuer zugleich monatlich Hunderttausende von Franken verteilen. Die Sozialarbeiter müssten aus ihren Büros rausgehen, hin zu den Leuten, so wie das anderswo gemacht wird. Im Büro braucht es keine Sozialarbeiter, sondern Kaufleute, nüchterne Buchhalter, die rechnen, kontrollieren und die Regeln auch durchsetzen. Hier liegt der kapitale Systemfehler. (Zopfi)

Margrit Zopfi und Ester Wyler interviewt von Alex Bauer und Philipp Gut in der Weltwoche 3.08, Seite 28ff.

2 Kommentare:

SOZI hat gesagt…

Zwei starke Frauen, Margrit Zopfi und Esther Wyler. Sie wissen, wovon sie sprechen, sind sattelfest und vertreten ihre Meinung fundiert und glaubwürdig. Es verwundert und macht neugierig, wenn ein Betrieb auch nur einen Tag freiwillig auf die Mitarbeit dieser beiden Angestellten verzichtet. So vom Schiff aus würde man sagen, da ist was faul im Staate Dönemark!! Klar ist, dass Zopfi/Wyler unbequeme Mitarbeiterinnen waren. Frage: "Für wen waren sie unbequem, wenn ihre Anliegen einzig der ordentlichen Betriebsführung galten?" Antwort: wohl den Unordentlichen, Ängstlichen, Faulen, Willkürlichen usw., die von diesem System profitieren, von denen die, wie Wyler richtig sagt, "Dieses System zu verantworten haben". Monika Stocker steht auch der Asyl-Organisation Zürich vor. Interessant wäre zu hören, ob sich auch in diesem Betrieb unter ihrer Verantwortung ein dem Sozialamt Zürich verwandtes (willkürliches?) System etabliert hat. Bekannt ist, dass 2007 ausserordentlich viele sehr gut qualifizierte Kaderleute - für Aussenstehende nicht nachvollziehbar - die Asyl-Organisation verlassen haben oder sie freigestellt und ohne wirtschaftliche Begründung gekündigt wurden. Diese Tatsache weckt die Neugier darauf, ob es sich auch da um Personen handelt, die aus denselben Gründen wie Wyler/Zopfi unbequem wurden. Um darüber Gewissheit zu erlangen, müsste auch dieser Betrieb näher betrachtet werden. Und wenn sich zeigen würde, dass dem so ist, dann liegt die Annahme nahe, dass das mit den Führungsqualitäten von Frau Stocker zu tun haben könnte. In diesem Fall wäre sie für mich nicht mehr wählbar. Dann müsste sie ersetzt werden durch eine Persönlichkeit, die willens und in der Lage ist, personelle Konsequenzen zu ziehen und sie rigoros durchzusetzen.

hardman hat gesagt…

hey sozi, meine rede! hätte nicht gedacht, dass ich jemandem mit solchem namen jemals zustimmen würde ;-)

- unbequeme Mitarbeiterinnen
- "Dieses System zu verantworten haben"
- Asyl-Organisation Zürich (...) ein dem Sozialamt Zürich verwandtes (willkürliches?) System etabliert hat.
- Persönlichkeit, die willens und in der Lage ist...

--> allgemein stellt sich bei linken persönlichkeiten die frage nach dem konstruktiven beitrag zum gemeinwohl...