Sonntag, 20. Januar 2008

Koppelung der Personenfreizügigkeit an den EU-Steuerstreit

Das war eine schlechte Entscheidung von der SVP, bzw. von Blocher: Die Personenfreizügigkeit gegenüber Bulgarien und Rumänien soll nur angenommen werden, falls die EU der Schweiz ihre Steuersouveränität lässt.

Die dümmste und kurzsichtigste Reaktion kam von Doris Leuthard: Es sei nicht gut, zwei völlig unterschiedliche Dossiers zu verknüpfen. Das ist der falsche Ansatz, Frau Leuthard: Wenn sich Synergien ergeben könnten, müssten diese selbstverständlich genutzt werden. Schliesslich sind die gleichen beiden Handelspartner bei diesen Dossiers miteinander im Gespräch.

Dem ist aber nicht so: Das Steuerdossier ist unantastbar. Die Schweiz verhandelt nicht darüber. Merz braucht aus formellen Gründen Zeit, seine Absicht erfolgreich durchsetzten zu können. Am wahrscheinlichsten ist eine Lösung, nach der zwar auch ausländische Holdinggesellschaften mit Sitz in der Schweiz gleich wie inländische besteuert würden, dies jedoch zu einem generell tieferen Zinssatz.

Auch die Personenfreizügigkeit steht nicht wirklich zur Diskussion, da sie formell in den bilateralen Weg eingebettet ist: Behandelt die Schweiz nicht alle EU-Mitglieder gleich, werden weitere Anliegen von der EU kategorisch abgelehnt. Der bilaterale Weg wäre gescheitert. Die Schweizer wollen nicht in die EU, wie einige Abstimmungen schon gezeigt haben, also wäre wirtschaftliche Isolation das Resultat.

Der oberflächliche Analyst von Blochers Plänen, könnte meinen, dass dieser den Kampf gegen die Personenfreizügigkeit mit seinem erfolgreichen Kampf gegen den EWR verwechselt. In Anbetracht dessen, gekoppelt mit dem Erfolgsrausch der SVP bei den Parlamentswahlen (29%), könnte dies zur wahnsinnigen Meinung verleiten, eine Mehrheit hinter diesen Plänen versammeln zu können.

Doch wie schon das Ultimatum "Wählt Blocher - sonst ist die SVP in der Opposition" versagte, wird auch eine solche "Erpressung" keinen Erfolg haben. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen konstruktiven, freisinnigen Wirtschaftlern und trotzenden SVPlern, verloren in und mit ihrer dumpfen Rhetorik.

Also bleibt das ganze Getue ein teurer Marketing-Gag von Blocher, wahrscheinlich auch zu einem grossen Teil finanziert von ihm selbst. Immerhin hält er sich und die SVP damit im Gespräch, was in der heutigen, von Medien dominierten Zeit, wesentlich, wenn nicht sogar das wichtigste Element des mittelfristigen Erfolgs, ist. Und das ist ja die zentrale Zeitspanne in der Politik: 4 Jahre.

[Blocher] will die SVP als alleinige Retterin des Vaterlandes vor den Fängen der gierigen EU positionieren - inmitten weicher Landesverräter.

Blocher verspielt den mühsam errungenen Status seiner SVP als Wirtschaftspartei.

Die SVP verliert, wenn sie die Frage Wirtschaftsliberalismus versus Nationalkonservativismus aufwirft.
Denis von Burg in der SonntagsZeitung vom 20.1.08, Seite 19.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

http://www.svp.ch/index.html?page_id=3490

Wieso soll diese Koppelung "pervers* sein(Abgesehen davon, dass ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 6,1% pervers ist)?Die Schweiz darf sich doch nicht durch die EUCCP erpressen lassen.Wir hätten soviel Trümpfe in der Hand.Aber eben.Einmal erpresst (nachrichtenlose Gelder),immer erpresst.Unsere Regierung kuscht lieber.

hardman hat gesagt…

Merz hat dieses Wort gebraucht. Ich würde es als Bundesrat in einem politischen Zusammenhang nicht verwenden, doch ich verstehe ihn:

> Perversion, (lat. perversio „die Verdrehung,
> die Umkehrung“) bezeichnet eine stark bis sehr
> stark den vorherrschenden Moralvorstellungen,
> häufig im Bereich des Trieb- und Sexualverhaltens,
> entgegenwirkende Tat. Heute wird es als Schimpfwort
> für befremdendes Verhalten benutzt.
aus wikipedia.

- Verdrehung/Umkehrung: Weil man schon seit Jahren eine klare Strategie hat: nicht verhandelbare Steuerhoheit und bilateraler Weg
- vorherrschende "Moral"vorstellungen: Das Volk hat diesem Vorgehen weitgehend zugestimmt.
- "Trieb"-Verhalten: Der Antrieb der SVP ist die EU-Feindlichkeit. Sie kämpft damit um ihre Stellung.
- Merz ist von diesem Verhalten befremdet, weil er die bisherigen Pläne, für welche er eine bedeutende Verantwortung trägt, hinterfragtt sieht.

Einheitlicher MWSt-Satz senkt die Verwaltungskosten und dient einem schlanken Staat.

Die Trümpfe hätten wir nur, wenn wir sie auch ausspielen könnten. Doch z.B. die Schliessung der Nord-Südachse: Ist das wirklich ein "ausspielbarer Trumpf"? Nein, sowas kommt gar nicht in Frage. Die Schweiz ist schon dermassen mit der EU verknüpft, dass isolatorische Reaktionen massiven wirtschaftlichen Schaden anrichten würden - einen grösseren, als die zusätzlichen Kohäsions- und Sozialhilfebezüger aus dem Ostblock.