Sonntag, 31. Januar 2010

Haiti: Entwicklungsgelder wirkungslos

Die Deuter sind sich einig. Das Erdbeben von Haiti wirkte sich vor allem deshalb so verheerend aus, weil die Naturgewalten ein Land im Zustand der totalen Armut trafen. Haiti ist ein Modellfall des Elends. Der Inselstaat gehörte zu den reichsten Provinzen des französischen Kolonialreichs. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkämpften sich die aus Afrika importierten Sklaven die Freiheit. Dann ging es bergab. Die einstigen Kolonialherren wurden brutal vertrieben. Während sich in der benachbarten Dominikanischen Republik europäische Einflüsse und der Katholizismus hielten, setzten die Haitianer auf eine tief afrikanische Voodoo- und Aberglaubenkultur. Das einst idyllische Inselparadies wurde zu einer Art Simbabwe der Karibik.

Ein anderer unangenehmer Faktor wird heute beim Anblick der tragischen Katastrophenbilder verdrängt: Haiti kassierte Milliarden an internationaler Entwicklungshilfe. Zwischen 1990 und 2005 erhielten die wechselnden Regierungen des Krisenstaats rund vier Milliarden Dollar sowie jährlich rund eine Milliarde Dollar an Geldrücksendungen von Ausland-Haitianern. Trotz der massiven Schenkungen wurde weder die Armut ausgerottet noch die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum aus eigener Kraft geschaffen. Die Entwicklungshilfe brachte nichts. Im Gegenteil: Die Zahlungen gewöhnten das Volk daran, dass andere für seine Lebensrisiken haften.

Das Beispiel Haiti bestätigt die Vorbehalte, die schon vor Jahrzehnten der britische Ökonom Lord Peter Bauer gegen den Zeitgeist formulierte: «Entwicklungshilfe ist weder nötig noch ausreichend, um wirtschaftlichen Fortschritt in der sogenannten Dritten Welt auszulösen. Es ist wahrscheinlicher, dass Entwicklungshilfe Wirtschaftswachstum behindert als fördert.» Bauers Argumente sind noch heute schlüssig. Entwicklungshilfe laufe zu oft über Regierungen und steigere dadurch zwangsläufig Macht und Einfluss der Politik. Dies führe zu einer Politisierung des Wirtschaftslebens mit der Folge, dass die Leute ihre Energie nicht auf unternehmerische Produktivität legen, sondern sich vor allem bemühen, an die staatlich verwalteten Entwicklungsmilliarden zu gelangen. Durch den Zufluss der Fremdgelder, so Bauer, würden die Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum nicht geschaffen, sondern zerstört.

(...) Die Trümmerberge von Haiti sind ein Sinnbild für den Irrweg der Entwicklungshilfe.
Roger Köppel in der WeWo3.10, Seite 5.


Haiti aber kennt seit Jahrzehnten nur Rückschritte. Schon in den fünfziger Jahren hatte das Land, in dem damals drei Millionen Menschen lebten, als hoffnungslos überbevölkert gegolten. Sechs Jahrzehnte später hat sich die Zahl der Bürger mehr als verdoppelt. 80 Prozent der Menschen leben in Armut. Das Sozialprodukt pro Kopf lag 2009 bei lediglich zwei Dollar am Tag. Die Arbeitslosenquote wird auf 75 Prozent geschätzt, die Auslandshilfe macht seit Jahren 30 bis 40 Prozent des Staatshaushaltes aus.
Pierre Heumann in der WeWo3.10, Seite 14f

Keine Kommentare: