Mittwoch, 5. Dezember 2007

Anti-Guerilla-Strategie im Irak

Trendwende im Irak, so zumindest berichtet die Weltwoche über die Veränderungen seit dem Sommer 2007. Unter dem früheren Oberbefehlshaber General Casey war ein Rückzug in die Hauptbasen befohlen. Die Soldaten befanden sich wieder in sicheren Festungen.
Nicht so unter dem Kommando von General Petraeus. Er versetzte die Soldaten wieder unter die Leute, in sogenannte Combat Outposts, wo sie
mehrmals täglich auf Patroullie gehen, um den Bewohnern das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und die belagerten Quartiere von Aufständischen zu säubern. (…) Die Gefahr, getötet zu werden, stieg signifikant, besonders zu Beginn (…)
Combat Outposts bringen erhebliche Entbehrungen mit sich:
Ausserhalb Bagdads, in den Dörfern und Städten des Sunnitengürtels, frisst sich der mehlstaubfeine Sand bis in den untersten Saum des Schlafsacks, nicht selten teilen sich hundert Gis ein funktionierendes WC und eine Dusche. Während des 15-monatigen Frontdienstes beschränkt sich das Leben auf Einsatz und Unterkunft, Telefon und E-Mail gibt es nicht, die Privatsphäre reduziert sich auf einen portablen DVD-Player oder iPod, Alkohol ist wie überall im Irak strikt verboten, wer Entspannung sucht, greift zur Zigarette.

Die zugrunde liegenden Überlegungen für eine erfolgreiche Anti-Guerilla-Strategie:
  • Der Kampf sei noch lange nicht vorbei. „Anti-Guerilla-Kriege“ sind lang und schmutzig“, sagt er. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass es im Durchschnitt zehn Jahre daure, um Aufstände niederzuschlagen. (…) 80 Prozent aller Anti-Guerilla-Kriege seien gewonnen worden.
  • Doch erstens seien sie langwierig, und zweitens falle der Entscheid über Sieg oder Niederlage meistens nicht im Kampf, sondern in der Politik.
  • "Du musst das Volk für dich gewinnen."
  • "Behandle alle Einheimischen mit Respekt. Denn jedes Mal, wenn du einen Iraker schlecht behandelst, arbeitest du dem Feind in die Hände."
  • "Es geht nur zum Teil ums Täten, die Hauptarbeit ist gesellschaftliches Netzwerken.“ Oberstes Gebot sei, Vertrauen zu schaffen. „Nur wenn sich die Bevölkerung sicher fühlt, wird sie einen Terroristen verraten.“ Es reiche nicht, sie militärisch zu schützen, die lokalen Sitten müssten geachtet werden. Vor allem aber brauche es regen Kontakt zur Bevölkerung.
Quelle: Weltwoche 48.07, Seite 35
Die Folgen:
(…) sie erkannten, dass von den Amerikanern auf Dauer weniger Gefahr und mehr Hoffnung ausgehen könnte als von den fanatischen Gotteskämpfern aus nah und fern.

Die Väter schickten nun ihre Söhne zur neuen irakischen Polizei und in die neue irakische Armee. Bürger liessen sich wählen in Stadt- und Dorfräte. Sie begannen, mit den US-Militärs zu kooperieren, sie lieferten Bombenleger aus, verrieten Waffenverstecke, sie gingen wieder ihren Geschäften nach, ihrer alltäglichen Arbeit, sie dienten sich an als Handlanger, Bauuternehmer, Spediteure. Lehrer gaben wieder Unterricht, Ärzte pflegten wieder Kranke, Händler verkauften wieder Ware. Die Stacheldrahtverhaue um Bagdad, errichtet, um Attentäter von Anschlägen abzuhalten, sie wurden jetzt von Irakern gebaut. Die Kontrollpunkte werden zunehmende von Irakern bemannt. Und die Amerikaner, die einstigen Feinde, wachten fortan im Hintergrund über den Neustart.
Urs Gehriger in der WW48.07, Seite 32ff.

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