Dienstag, 17. Juni 2008

Ideologienstreit in der al-Qaida

Ein sehr guter Artikel in der Weltwoche: Hier öffentlich zugänglich und strengstens zur Lektüre empfohlen.

1988 gründeten vier Personen die al-Qaida: Bin Laden, Zawahiri, Abdullah Azzza und Sayyid Imam al-Scharif aka Dr. Fadl. Letzterer fragt nach der Zielerreichung der al-Qaida und wirft dem Duo Bin Laden/Zawahiri vor, die Ideologie für eigene Zwecke zu missbrauchen:
  1. ausländische Mächte aus dem Nahen Osten vertreiben. Das Gegenteil ist eingetroffen. Die USA sind in zwei muslimische Staaten einmarschiert.
  2. Tyrannenregierungen in der Region stürzen. Ebenfalls nicht erreicht. Die Regierungen wurden repressiver und haben die Bewegung in die Defensive gedrängt.
  • Was bringt es, wenn man ein Haus des Feindes zerstört und er dann ein islamisches Land zerstört?
  • Oder eine Stimme aus den Reihen der al-Qaida:
    Wer ist es, der mit Ihrem Seegen [Zawahiri] getötet wird? Die Unschuldigen in Bagdad, Marokko und Algerien? Das soll Dschihad sein?
Gemessen an den selbstgesetzten Zielen, ist al-Qaidas Strategie ein herber Misserfolg.

Dr. Fadl ist Autor verschiedener Standardwerke, welche u.a. zur Indoktrination von Rekrutuen und zur Legitimierung ihrer Terrorstrategie dienen. Er ist DIE Autorität. Da erscheint die 200-seitige Replik von Zawahiri lächerlich. Dr. Fadl "hat das geistige Fundament von al-Qaida gesetzt. Er hat ein ausserordentlich gutes Gedächtnis und ­eine exzellente Kenntnis von Koran und Hadith. Als Gelehrter ist er Zawahiri um Welten überlegen."


Er definiert den Dschihad neu:
  • Gott verbietet uns, Gewalt anzuwenden, sogar wenn die Feinde des Islam das auch tun.
  • Weder Christen noch Juden dürften umgebracht werden, ausser wenn sie Muslime aktiv angreifen.
  • Ausserdem sei es unehrenhaft, wenn Muslime, die in nichtislamischen Staaten leben, ihre Gastgeber betrügen und attackieren.

Die al-Qaida steckt in einer philosophischen Debatte (...). Es ist schwierig, sie weiterhin als religiö­se Bewegung zu bezeichnen. Sie finanziert sich durch Drogengelder, Kidnappings, durch Öldiebstahl. (...) niemand kann ihre Philosophie mehr ernst nehmen. Die Organisation hat nichts vorzuweisen ausser Blut und Elend.
Dies ist nicht das Ende. Es ist nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist, vielleicht, das Ende des Anfangs.
Churchill
Es gibt nicht viel, was wir beitragen können, um die muslimische Welt zu ändern. Sie muss sich selbst von innen heraus reformieren.
Lawrence Wright, Pulitzer-Preisträger

Trotz ihrer heftigen Kritik an der Zentrale sind sie noch längst keine Freunde des Westens. "Ihr Weltbild sei ein islamistisches, ihre Feinde sind wir."
Walid Phares, Analyst an der Foundation for Defense of Democracies.

Artikel in der WW24.08, Seite 44ff von Urs Gehriger im Interview mit Lawrence Wright.

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