Donnerstag, 15. September 2011

Nächstenliebe und Migration

Nächstenliebe darf nicht naiv daherkomen. Sie muss konsequent und nachhaltig sein.
Ziel der Nächstenliebe: Durch gelebte Solidarität einen Menschen unterstützen, bis er wieder in der Lage ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. 
Es stehen Menschen an der Schweizer Grenze und begehren Einlass, weil ihnen sonst Verfolgung und Tod drohen. Keine Frage, wir heissen sie als Gäste willkommen, betreuen sie, bis sie ihr Leben wieder unabhängig bestreiten können. So handhabt unser Land seit je seine humanitäre Tradition. 
Wünschen allerdings Menschen in unser Land zu kommen, weil sie sich versprechen, hier besser leben zu können, grenzt es an naive Nächstenliebe, sie bedenkenlos willkommen zu heissen, wie das einige unbedarfte religiöse Würdenträger und berechnende Politiker tun. Genau das wollte der Mann aus Samaria nicht. Das vermeintlich gutmenschliche Hochgefühl des «Wir müssen doch alle gern haben» nützt auf die Dauer niemandem. Es kann sich sogar verheerend auswirken, wenn diese Menschen führungslos ihrem Schicksal überlassen werden oder wenn ihnen umgekehrt alles auf dem Silbertablett serviert wird.

2 Optionen:
  1. [Um für sich selbst sorgen zu können, kommen nur noch Leute ins Land, welche] eine nachgewiesene Arbeitsstelle haben. Stehen sie ohne Aussicht auf Beschäftigung an der Grenze, bekommen sie eine Arbeit zugeteilt, die sie annehmen müssen. Die Schweiz begleitet diese Menschen im Rahmen obligatorischer Integrationskurse. Dabei werden sie in die Vielfalt der Gesellschaft eingeführt, erhalten alle nötigen Hilfestellungen, um sich zurechtzufinden, und werden bald ein eigenständiges Leben führen können, ohne an der sozialen Zapfsäule des Staates zu hängen. Verweigern sich diese Menschen allerdings dem Integrationsangebot, ist es Christenpflicht, ­ihre Verweigerung ernst zu nehmen und sie wieder zu verabschieden.
  2. [Die andere Option richtet den Fokus auf das Ursprungsland der Migranten. Dieses braucht genau den Elan, die Kraft und die Hoffnung der auswandernden Personen. Nur durch deren starke Beteiligung kann die eigene Heimat aufgebaut werden. Kräfte vor Ort werden dadurch unterstützt und verhelfen damit einer Familie, einem ganzen Staat zur eigenständigen Bewältigung des Alltags.] Potenzielle Asylsuchende entschliessen sich, in ihrer Heimat zu bleiben, um dort ihr eigenes Land aufzubauen, statt in der Fremde bloss ihre Tage zu fristen. Mit diesem zweiten Weg wird ein Christ in keiner Weise zum Rassisten. Im Gegenteil. Er bleibt Humanist, weil seine Liebe zu den Menschen nicht bloss von oberflächlichem Schönreden lebt, sondern sein Handeln von nachhaltiger Effizienz geprägt ist.
Josef Hochstrasser ist reformierter Pfarrer und arbeitet als Religionslehrer an der Kantonsschule Zug in der WeWo36.11, Seite 27.
 

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